Laudatio von Hans-Herrmann Bison anlässlich der Verleihung des „Dinslakener Pfennigs” an Dr. Inge Litschke am 28. April 2002

Laudator Hans-Hermann Bison

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Heimatfreunde, ganz besonders aber, liebe Frau Dr. Litschke!

Wer eine Laudatio halten soll, halten darf, so wie ich heute, befindet sich in einer glücklichen Lage, wenn er nicht krampfhaft nach Verdiensten suchen muß, um die jeweilige Auszeichnung zu begründen. Ich befinde mich heute in dieser glücklichen Lage.

Der „Dinslakener Pfennig“ ist - Artur Benninghoff erwähnte es in seiner Begrüßung bereits - von unserem Verein 1990 gestiftet worden, um herausragende heimatkundliche Verdienste zu würdigen. Im Falle von Frau Dr. Litschke sind die heimatkundlichen Verdienste um Dinslaken und ganz speziell um den Stadtteil Lohberg so eindeutig und überzeugend, dass eine Laudatio auf sie wirklich nicht schwer fällt.

Im Vorstand des Land Dinslaken-Vereins haben wir mit Frau Dr. Litschke in der Tat eine gute Entscheidung getroffen. Davon bin ich jetzt noch viel überzeugter, nachdem ich mich in Vorbereitung auf den heutigen Tag etwas genauer mit ihr beschäftigt habe.

Die Verleihung des „Dinslakener Pfennigs“ will nicht eine Lebensleistung insgesamt würdigen und auch nicht auf den Beruf abstellen. Sie will nur ganz speziell heimatkundliche Verdienste ideell belohnen und damit vielleicht auch andere zu solcher Arbeit motivieren.

Im speziellen Fall von Frau Dr. Litschke kann man ihre heimatkundliche Arbeit aber nur angemessen würdigen, wenn man sich auch mit ihrer Biografie befaßt. Diese ist in manchen Punkten ganz außergewöhnlich. In ihrem Leben spiegelt sich manches Kapitel deutscher Geschichte und Dinslakener Stadtgeschichte. Bei der Beschäftigung mit der Biografie von Frau Dr. Litschke stieß ich schnell auch auf meine eigene Biografie. Wir sind beide in Dinslaken, zeitlich gar nicht weit auseinander geboren. Während der Zeit des Nationalsozialismus und des 2. Weltkrieges sind wir aufgewachsen. Wir haben an der gleichen Schule Abitur gemacht. Sie früher als ich, wie ich übrigens auch nie ein so guter Schüler war wie sie. Wenn wir unsere Abitururkunden vergleichen würden, es fänden sich dort weitgehend die gleichen Lehrer.

Vielleicht läßt sich, liebe Frau Litschke, von dieser gewissen Parallelität zwischen unseren Biografien auch etwas meine Legitimation ableiten, dass ich heute an dieser Stelle für den Land Dinslaken-Verein sprechen darf.

Frau Dr. Litschke wurde als Inge Kresse im Mai 1930 geboren. Ihr Elternhaus lag im Stadtteil Lohberg an der Schlepperstraße. Also inmitten der seit 1907 errichteten Siedlung für die Belegschaft der parallel dazu entstandenen Schachtanlage des Unternehmens Thyssen..

Wer, wie Inge Kresse 1930 zur Welt kam, wurde in eine wirtschaftlich trostlose Zeit hineingeboren. Das traf besonders für Lohberg zu. Um dies zu kennzeichnen erwähne ich, das die Lohberger Zechenbelegschaft 1931 auf weniger als ein Drittel der Belegschaft von 1923 abgeschmolzen war. Dies in einer Zeit, als das soziale Netz viel weniger tragfähig war als heute.

Der Großvater Kresse war 1914 von Schlesien nach Lohberg gekommen. In Lohberg gab es damals gute Arbeits- und Wohnmöglichkeiten, eben die neu angefahrene Zeche und die vorbildliche Wohnsiedlung - das Wort Kolonie geht mir etwas schwer von den Lippen. Die Kresses gehörten somit, wenn man so will, zum Lohberger Urgestein. Nach dem Großvater wurde auch dem Vater die Zeche zur Berufsbasis. Es war die Zeit, in der volle Identität zwischen Arbeiten und Wohnen herrschte. Wer auf der Zeche arbeitete, wohnte auch in Lohberg und umgekehrt. Dies war das traditionelle Grundmodell praktisch für den ganzen Ruhrbergbau. Dieses System ist heute aus verschiedenen Gründen weitgehend verschwunden.

Nach der Volksschule in Lohberg besuchte Inge Kresse das spätere Dinslakener Mädchengymnasium (Anmerkung: damals war es noch die “Oberschule für Mädchen”). Es war damals, also 1940, ein ganz außergewöhnlicher Vorgang, wenn die Tochter eines Lohberger Bergmannes zur höheren Schule ging.

Es muß wohl, bis in die ersten Jahre des Krieges hinein, eine sehr idyllische Atmosphäre in jener Mädchenschule am Bärenkamp im heutigen Gebäude des Deutschen Roten Kreuzes geherrscht haben. Im Volksmund wurde sie höhere Töchterschule genannt. Ich kannte das Gebäude natürlich nur von außen. Als Junge betrat man ein solches Haus ja nicht ohne weiteres. Besser kannte ich die umliegenden Obstwiesen.

Es ist ein stadtgeschichtliches Verdienst, dass die in unserer Runde anwesende Frau Markworth die Geschichte und dabei insbesondere die Atmosphäre der alten Mädchenschule am Bärenkamp in einem Aufsatz festgehalten hat. Er findet sich im sogenannten Frauenbuch „Der andere Blick“, das vor zwei Jahren in der Buchreihe unseres Vereins erschienen ist.

Meine Damen und Herren!

In das erfolgreiche und sie erfüllende Schülerleben brach für Inge Kresse am 22. Januar 1945 eine Katastrophe ein. Sie hat ihre persönlichen Erinnerungen daran überaus bewegend nieder geschrieben. Sie sind nachzulesen in dem Band „Finale. Dinslaken 1945“ unseres Vereins und stellen ein tragisches Kapitel Dinslakener Stadtgeschichte dar. Bei einem Bombenangriff auf Lohberg kamen Inge Kresses Eltern und ihre drei jüngeren Brüder im Keller ihres Hauses zu Tode. Sie als einziges Mitglied der Familie konnte lebend aus den Trümmern geborgen werden. So findet sich heute auf dem Gräberfeld der Lohberger Bombentoten auf dem Friedhof an der B8 fünfmal der Name Kresse.

Dieser 22. Januar 1945, gleichsam ein Vorbeben zum 23. März 1945, kostete insgesamt 85 Lohberger Mitbürgern das Leben. Das Bewußtsein darum ist in der Öffentlichkeit etwas geschwunden. Vielleicht sollte man - ich darf das in Richtung zur Frau Bürgermeisterin sagen - auch für diese Bombentoten eine Erinnerungstafel schaffen. Unser Verein bringt gerne Gestaltungsüberlegungen ein.

Nach dem Bombentod ihrer nächsten Angehörigen wurde Inge Kresse in die Lohberger Familie einer Schwester ihrer Mutter aufgenommen.

Trotz allem, was an Tragischem passierte, als der Krieg vorbei war und auch der Unterricht in den höheren Schulen wieder begann, Inge Kresse war zur Stelle. Ihre inzwischen Lyzeum genannte Schule ging 1947 mit der Mittleren Reife zu Ende. Inge Kresse aber wollte Abitur machen. Zu diesem Zweck mußte sie zum Jungengymnasium wechseln. Dort gehörte sie dann 1950 als eine von 19 zum ersten normalen Abiturjahrgang nach dem Kriege. Klassenlehrer dieses Abiturjahrgangs war Dr. Hermann Buchmann, den wir in unserer Runde alle besonders gerne sehen. Die Anwesenheit von Herrn Dr. Buchmann wirft gleichsam einen historischen Glanz auf unsere Veranstaltung.

Es ist in Dinslaken folgende Begebenheit in Erinnerung, mit der ich einen Namen einbringe, der auch zur Dinslakener Stadtgeschichte gehört, nämlich den von Dr. Josef Zorn. Er war 1945 von der alliierten Besatzungsmacht als erster Bürgermeister und Landrat von Dinslaken eingesetzt worden. Später übernahm der die Leitung des Gymnasiums. So leitete er auch die Abiturprüfung von Inge Kresse.

Am Abend des Abiturtages berichtete Dr. Zorn in einer Dinslakener Männerrunde stolz vom erfolgreich gelaufenen ersten Nachkriegsabitur. Es war gleichsam der Höhepunkt und fast Abschluß seines erfolgreichen Lehrerlebens. Er soll berichtet haben, es habe zwei Spitzenabiturienten gegeben. Er sei wegen der darin zum Ausdruck kommenden sozialen Ausrichtung des Gymnasiums besonders stolz darauf, dass beide Spitzenabiturienten Arbeiterkinder seien.

Meine Damen und Herren!

Beide sind Dinslakener geblieben, beide befinden sich in unserer Runde eine davon ist Dr. Inge Litschke.

Die junge Abiturienten Inge Kresse wollte studieren. Trotz aller guten Zeugnisse, trotz mancher Mühen ihr Wohlgesonnener, das Studium scheiterte 1950 am Geld aber auch wohl daran, dass vor 50 Jahren insgesamt erst wenig Frauen ein Hochschulstudium aufnahmen. Insoweit spiegeln sich in ihrem Lebensweg, liebe Frau Litschke, wichtige Abschnitte der beruflichen Emanzipation der Frauen.

Anstatt zu studieren, liebe Frau Litschke, kamen Sie aber schnell in Positionen, um die Sie damals beneidet wurden.

Noch im Abiturjahr 1950 wurden Sie vom britischen Kommandanten für die Kreise Dinslaken und Wesel - sein offizieller Titel lautete anders - als Sekretärin eingestellt. Jener Mister Burton, ein nobler Gentleman, war damals gleichsam der King in unserer Region. Alte Dinslakener erinnern sich noch an ihn. Er residierte in der Villa Kalle und hatte sein Büro im ebenfalls abgebrochenen alten Rathaus. Natürlich war Voraussetzung für diese Position Ihr exzellentes Englisch. Diese Tätigkeit endete aber schon 1951, denn im Zuge der wachsenden deutschen Souveränität wurde das Büro des Stadtkommandanten aufgelöst. Er soll sich von Dinslaken übrigens nur ungern getrennt haben. Schrieb Inge Kresse aber zuvor noch ein herausragendes Dienstzeugnis.

Liebe Frau Litschke!

Wenn ich an dieser Stelle eine Anregung an Sie herantragen darf. Die Zeit der englischen Besatzung nach 1945 und der Stadtkommandanten sowie ihrer zivilen Nachfolger wie Mister Burton ist in der Stadtgeschichte kaum behandelt. Könnte das nicht ein neues Projekt für Sie zusammen mit unserem Verein sein?

Meine Damen und Herren!

Für Inge Kresse setzte sich aber auch nach dem Wegzug des englischen Stadtkommandanten das Glück der Tüchtigen fort.

Sie wechselte zur Zeche Lohberg und wurde Sekretärin des damaligen und noch langjährigen dortigen Bergwerksdirektors Dr. Werner Hoffmann, ein Name, der auch zur Stadtgeschichte gehört. Man konnte damals wohl den Eindruck gewinnen, sie würde für die in Dinslaken interessantesten Frauenarbeitsplätze gleichsam wie ein Geheimtipp gehandelt.

Sekretärin bei Dr. Hoffmann zu sein, das war eine tolle Position für eine Frau. Dr. Hoffmann war der Mann, unter dessen Leitung die Zeche Lohberg nach 1945 zu großer Leistungsfähigkeit hochgefahren wurde und 1965 in der Spitze eine Belegschaft von über 5.000 erreichte.

Ich könnte mir denken, liebe Frau Litschke, Sie haben als eine der ganz wenigen Frauen auf dem Schacht diese konservative Männerwelt gehörig aufgemischt. Damals gab es im Bergbau in Stellungen wie der Ihren noch Sekretäre. Meist etwas ältliche, sehr vertrauenswürdig erscheinende Herren.

Zu Dr. Hoffmann darf ich noch bemerken, daß in der Öffentlichkeit das Bewußtsein um ihn abgenommen hat. Nicht nur wegen seines Wirkens als langjähriger Chef des belegschaftsstärksten Dinslakener Arbeitgebers verdient er, in Erinnerung behalten zu werden. Er hat sich auch bleibend verdient gemacht um das Dinslakener Kulturleben nach dem Krieg, z.B. als Vater der Burghofbühne, aber auch beim Nachkriegswiederaufbau dieses Voswinckelshofes und bei der anschließenden Einrichtung des ersten Heimatmuseums an dieser Stelle in den 50er Jahren. Sollte man an ihn, dem auch unser Verein zu Dank verpflichtet ist, nicht ein bleibendes Zeichen der Erinnerung schaffen? Eine Straße in Lohberg nach ihm benennen?

Meine Damen und Herren!

Ende 1954 heirateten Inge Kresse und Herbert Litschke. Damals hatten sich die Frauen dem Namen nach noch nach ihren Männern zu richten. Somit soll jetzt auch die Nennung des Namens Kresse für mich verschwinden.

Für Herbert Litschke war ebenfalls die Zeche Lohberg die wirtschaftliche Basis. Er wurde dort bald Fördermaschinist, im Bergbau traditionell eine Position nur für höchst zuverlässige Leute.

Das junge Ehepaar war sogleich eingebunden in die damals florierende Siedlungsbewegung des Bergbaus. Nach viel handwerklicher Eigenleistung bezogen die Litschkes schon 1955 ihr Siedlungshaus Auf dem Loh 14, näher bei Hiesfeld als bei Lohberg. In diesem Haus wohnt Inge Litschke nun mehr als ein halbes Jahrhundert. Dort, in einem für Kinder idealen Umfeld nahe dem Rotbach, wuchsen Tochter und Sohn auf. Seit dem Tod ihres Mannes 1998, nach dessen längerer Erkrankung, bewohnt Frau Litschke dieses Haus nunmehr allein. Wenn man sie Auf dem Loh besucht - in Vorbereitung auf den heutigen Tag durfte ich es mehrmals - umgibt einen dort die wohltuende Atmosphäre einer Privatgelehrten.

Liebe Frau Litschke!

In der Tat spiegelt sich in ihrem Lebensweg ein großer Abschnitt der beruflichen Emanzipierung der Frau: Nach dem Abitur 1950 kein Hochschulstudium. Mit Verheiratung - 1955 - Ende der Berufsarbeit und Konzentration auf den Beruf Familienmutter. Das war aber nur die eine Seite. Die andere setzte 1976, 26 Jahre nach Ihrem Abitur ein. Sie entschlossen sich 1976, mit dem Berufsziel Studienrätin zu studieren, wobei auch die damals einsetzende Erkrankung Ihres Mannes ein Rolle spielte. Im gut erreichbaren Duisburg konnte man inzwischen studieren. Wieviel schwieriger wäre das in der Universitätslandschaft von 1950 gewesen?

Zwischen 1976 und 1981 durchliefen Sie im Eilschritt alle Etappen zur Lehrbefähigung für die Sekundarstufe II in Englisch, Pädagogik und Haushaltswissenschaften. Sie gingen aber nicht in den Schuldienst, sondern nahmen die Ihnen angebotene Stelle einer Wissenschaftlichen Mitarbeiterin im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Duisburg an. Die Wissenschaft reizte Sie. Als Sie 1993 in Pension gingen, hatten Sie auf ihren Forschungsgebieten hohe Fachkompetenz erlangt. Diese ist ausgewiesen durch zahlreiche Veröffentlichungen und Vorträge im In- und Ausland.

In Ihre 12 Jahre als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Duisburg fiel noch eine andere wichtige Sache. In einem Seminar über die reformpädagogische Bewegung referierten Sie über Probleme Jugendlicher in deutschen Bergarbeitersiedlungen. Sie sahen sich dabei aus Ihrer Lohberger Erfahrung zum Widerspruch gegenüber der herrschenden Meinung veranlaßt. Dies war die Geburtsstunde Ihres Dissertationsthemas, zu dem Sie Professor Stach ausdrücklich ermunterte. Er kann heute leider nicht dabei sein. Um so mehr freut und ehrt uns die Anwesenheit von Professor Born, langjähriger Rektor der Universität Duisburg.

Als Ergebnis einer sich neben dem Beruf über die Jahre 1984 bis 1991 erstreckenden Arbeit erschien 1993 das Buch

> Im Schatten der Fördertürme > Kindheit und Jugend im Revier > Die Bergarbeiterkolonie Lohberg 1900 bis 1980

Diese Arbeit, mit der Inge Litschke 1992 in Duisburg zum Dr. phil. promoviert wurde, schlug ein wie eine Bombe. Das Buch erschien als 18. Band der inzwischen 25 Titel umfassenden Buchreihe unseres Vereins. Es wurde innerhalb unserer Buchreihe mit rund 3.000 verkauften Exemplaren mit Abstand zum Bestseller.

Sie haben, liebe Frau Litschke, beim Entstehen Ihrer Dissertation in regem Gedankenaustausch mit unserem unvergessenen Heimatfreund Willi Dittgen gestanden. Ich weiß von ihm, der mir väterlicher Freund war, dass ihn dieser Gedankenaustausch mit Ihnen sehr beeindruckte und bereicherte.

Was zeichnet Ihr Lohberg-Buch aus meiner Sicht, der Sicht eines Nichtfachmannes, besonders aus?

Hier und immer wieder ist es Ihnen gelungen, wissenschaftliche Gründlichkeit (ich verweise auf die vielseitigen Literaturangaben und Anmerkungen) mit Lesbarkeit für Jedermann zu verbinden.

Es ist weder von links noch von rechts geschrieben, eine Versuchung der die Mehrzahl der Bearbeiter entsprechender Themen erliegt. Sie bleiben undoktrinär beim Tatsächlichen. Bei Ihnen findet sich der Lohberger / der Ruhrgebietsmensch tatsächlich wieder.

Das Lohberg-Buch beinhaltet Geschichte in vielschichtiger Art: Es greift die allgemeine deutsche Geschichte auf, wenn man z.B. an die bürgerkriegsähnlichen Geschehnisse während der Weimarer Zeit denkt, wobei gerade Lohberg wiederholt Ort des Geschehens war. Es ist ein Stück Wirtschaftsgeschichte / Bergbaugeschichte, es ist Sozialgeschichte, Architekturgeschichte, und anwesende Pädagogen sind sicher einverstanden, dass das Lohberg-Buch auch interessante Kapitel der Geschichte der Pädagogik enthält. Wir Heimatfreunde schätzen natürlich besonders den heimatgeschichtlichen Aspekt, der ja um so wichtiger ist, als Lohberg und das Leben in diesem Stadtteil sich inzwischen grundlegend geändert haben.

Frau Bürgermeisterin!

Dank des Buches von Frau Dr. Litschke ist kein Dinslakener Stadtteil so gut bearbeitet wie Lohberg. Was man auch über Lohbergs Geschichte wissen will, es ist bei Frau Dr. Litschke praktisch wie in einem Lexikon nachzulesen, die Geschichte des Sportvereins VfB Lohberg eingeschlossen. Was wäre es für ein Fortschritt, wenn auch unsere anderen Stadtteile einmal auf entsprechendem Niveau bearbeitet würden!

Liebe Frau Litschke!

Im Jahre 1994, also vor fast 10 Jahren, wurde Ihnen eine besondere Ehrung zuteil. Sie wurden nicht zuletzt im Hinblick auf Ihr Lohberg-Buch vom Verein pro Ruhrgebiet als "Bürgerin des Ruhrgebiets" ausgezeichnet. Prof. Gramke, der heute mit seiner Frau anwesend ist, spielte damals als Vorsitzender des Vereins pro Ruhrgebiet (heute Ehrenvorsitzender) für Ihre Ehrung eine große Rolle.

Viele der Anwesenden werden sich an den eindrucksvollen Festakt erinnern, der damals in der Alten Lohnhalle auf Lohberg stattfand. Diese 1981 gestiftete Auszeichnung erhielten bisher erst 33 Persönlichkeiten vom Ministerpräsidenten und Kardinal bis zum normalen Bürger, davon nur 5 Frauen. Unter den 33 so Geehrten vertreten Sie, liebe Frau Litschke, Dinslaken alleine. Aber Sie haben vielleicht schon Ihren anwesenden Ruhrgebietsbürger-Kollegen aus dem angrenzenden Oberhausen, Herrn Karl Lange, entdeckt.

Aus der Lohberger Laudatio des Vereins pro Ruhrgebiet auf Sie, die nachzulesen ich nur empfehlen kann, heißt es über Ihr Lohberg-Buch: Es ist ein wesentliches und repräsentatives Stück Sozialgeschichte unseres Lebensraumes, des Ruhrgebietes. Die Arbeit ehrt nicht nur die Bergleute in Lohberg und ihre Familien, es ehrt alle hart vor Ort arbeitenden Menschen des Ruhrgebietes.

Liebe Frau Litschke!

Sie werden vielleicht sagen, der Verein pro Ruhrgebiet erwies mir schon vor 10 Jahren Anerkennung, sie vom Land Dinslaken-Verein kommen erst jetzt. Ein weiteres Beispiel dafür, wie schwierig es der Prophet im eigenen Lande hat. So, liebe Frau Litschke, wollen wir es in Dinslaken nicht halten. Im übrigen aber, auch Nobelpreise werden oft erst Jahrzehnte nach den eigentlichen Verdiensten verliehen.

Ihr Lohberg-Buch ist sicher Ihr "Hauptwerk“ und war für pro Ruhrgebiet wohl auch der eigentliche Anlaß, Sie zur "Bürgerin des Ruhrgebietes" zu machen. Auf Ihr Lohberg-Buch wird in der Tat auch in Zukunft keiner verzichten können, der sich mit der Geschichte der Lebensverhältnisse im Ruhrgebiet im 20. Jahrhundert befassen will.

Aber, Sie sind uns über das Lohberg-Buch hinaus ja noch durch eine Vielzahl spezieller heimatkundlicher Veröffentlichungen verbunden. Sie waren eine Quelle, aus der immer wieder für Dinslaken und die Region interessante historische Beiträge flossen.

Bereits 1953 legten Sie einen hochinteressanten Beitrag zur Stadtgeschichte vor, der die merkwürdige Situation behandelt, dass Dinslaken Jahrhunderte hindurch für Altstadt und Neustadt getrennte Bürgermeister, Räte und Verwaltungen hatte. Allem dadurch bedingten zusätzlichen Aufwand zum Trotz, selbst eine königliche Order von 1701 konnte damals bei den starrköpfigen Dinslakenern lange nur wenig ausrichten. Ihr damaliger Aufsatz hat dieses verrückte Kapitel Stadtgeschichte eigentlich erst wieder richtig bewußt gemacht.

Bewußt gemacht haben Sie auch, wie die "Burghofbühne" 1951 nach Dinslaken kam. Eine kulturhistorische Entscheidung von großer Tragweite für Dinslaken bis in die aktuelle Gegenwart hinein. Im Jahrbuch des Kreises Wesel für 1995 ist aus Ihrer Feder nachzulesen, dass damals eigentlich nur auf Grund eines Mißverständnisses die Burghofbühne in Dinslaken im Rahmen der bergmännischen Kulturarbeit beheimatet wurde. Sie waren als damalige Sekretärin von Dr. Hoffmann jedenfalls daran beteiligt, dass die Verbindung Dinslaken - Burghofbühne dauerhaft wurde und inzwischen ein halbes Jahrhundert mit manchem Auf und Ab überlebt hat.

Erwähnen möchte ich noch, liebe Frau Litschke, Ihre zahlreichen Aufsätze zu speziellen Lohberg-Themen. Ob es um die wiederholten Bürgerkriegszustände in Lohberg geht, die Lohberger Schulen, die Ernährungsgewohnheiten der Lohberger ohne Ihre Veröffentlichungen wäre unser Wissen über Lohberg viel geringer.

In der Buchreihe "Dinslakener Beiträge", unseres Vereins erschien 2001 das sogenannte "Frauenbuch". Ein Kreis historisch interessierter Dinslakener Frauen, eben der Frauen-Geschichts-Kreis, hat mit diesem Band über das Frauenleben in Dinslaken wirklich Bedeutendes geleistet. Sie, liebe Frau Litschke, haben mit zwei Aufsätzen zu diesem Buch beigetragen. Darüber hinaus haben Sie aber auch noch in vielen anderen Punkten zum Niveau dieses Buches, das Verdienste Dinslakener Frauen würdigt, beigetragen. Ich erwähne zum Beispiel die Endredaktion durch Sie und Frau Seelisch.

Liebe Frau Litschke!

Alles, was Sie auf dem Gebiet der Heimatkunde leisteten, Sie taten es, ohne studierte professionelle Historikerin zu sein. Wieviel mehr wäre es noch geworden, wenn Sie Geschichte auch als offizielles Fach hätten!

Aber, wenn man Ihren Lebenslauf betrachtet: 1950 Abitur, 1976 Studiumsbeginn, 1992 Promotion, eigentlich ist es nach dieser Zahlenreihe nicht ausgeschlossen, dass Sie bald noch eine neue große Sache anfangen.

Meine Damen und Herren!

Eine Veranstaltung wie die heutige befaßt sich zwangsläufig stark mit der Vergangenheit. Das schöne an den Beziehungen zwischen Frau Dr. Litschke, der Heimatkunde und unserem Verein ist: Wir haben nicht nur eine reiche Vergangenheit, wir haben auch eine aussichtsreiche Zukunft. In die Zukunft gerichtet ist, liebe Frau Litschke, dass Sie nicht widersprochen haben, als ich eben das Projekt Nachkriegszeit/Besatzungszeit/Stadtkommandanten ansprach. Schon vor Monaten haben Sie nicht widersprochen, als Sie gefragt wurden, an dem Buchprojekt "Dinslakener Straßennamen" mitzuarbeiten.

Der Verein für Heimatpflege Land Dinslaken hofft auf ein noch langes freundschaftliches und fruchtbares Miteinander zwischen uns.

Wir danken Ihnen und rufen Ihnen ein herzliches "Glück Auf!" zu.