Rede von Karl Neuköther anlässlich des ihm verliehenen „Dinslakener Pfennigs” am 5. Juni 2013

Karl Neukoether (genannt Steltenkarl)

Pfennig!

Ich habe heute den Pfennig bekommen, . . .

den Dinslakener Pfennig in Hünxe!

Das ist eine seltene Angelegenheit. Nur ein Hünxer hat bisher auch diesen Pfennig verliehen bekommen:

Fritz Endemann. Er schaut uns bestimmt gerade jetzt in diesem Moment vom Himmel aus zu und sagt: Der Karl, - jetzt hat er den gleichen Pfennig wie ich. Wie schön. Fritz wird sich freuen.

Ich sehe das ganz einfach mal so:

dieser Pfennig wird mein Glückspfennig sein, . . . das wünsche ich mir.

Ein herzliches Dankeschön sage ich den Festrednern, den lieben Freundinnen und Freunden, die an den vielen plattdeutschen Abenden meine Begleiter waren, den Klompendänzern, diesen ewig jungen Dingern, den Mitgliedern der Heimatvereine Land Dinslaken und Hünxe und Marko Rohde mit seinen fantastischen Sängerinnen und Sängern, dankeschön sage ich allen lieben Menschen, die heute Abend meinetwegen hier im Hünxer Rathaus versammelt sind. Besonders herzlich bedanke ich mich bei Dr. Cornelissen, der extra heute von Bonn nach Hünxe gekommen ist. Und er muss ja schließlich

heute auch noch wieder zurück, muss diesen Weg noch einmal machen. Danke Georg.

Der Programmpunkt, der in Verbindung mit meinem Namen auf der Einladung steht, lautet „Erinnerungen“.

Ach ja, „Erinnerungen“! Wenn ich auch nur einen Bruchteil meiner Erinnerungen erzählen werde, . . . . . ja dann . . . . . wie lange habt ihr Zeit? . . .

Keine Angst, ich mache es kürzer . . . . . . Wenn ich mich so umschaue, bin ich wohl (fast) der älteste Teilnehmer der heutigen Runde und habe deswegen, ganz normal, die meisten Erinnerungen speichern können.

Als ich jetzt aus gegebenem Anlass in den Erinnerungs-Speicher geschaut habe, ist mir aufgefallen, ich habe, genau wie alle anderen Menschen meines Alters auch, sehr, sehr viele Erinnerungen an Menschen, die im Laufe meines langen Lebens meinen Weg mit mir gegangen sind, ihn eine Strecke begleitet oder ihn gekreuzt haben.

Das Schöne daran ist, es sind fast ausschließlich, zu 99%, positive Erinnerungen an sehr, sehr viele nette, liebe, sympathische Menschen, die mir da in den Sinn gekommen sind. Eine ganze Menge davon liegen bereits seit kurzer oder längerer Zeit auf Kösters Kämpken, eine große Anzahl weilt noch unter den Lebenden, . . . die sympathischsten und nettesten von denen, die noch leben, sind heute Abend hier im Rathaussaal versammelt, um mir eine Freude zu bereiten. Danke allen, die gekommen sind.

Bei Ereignissen aus dem Speicher der Erinnerungen ist es genauso wie bei den Menschen. Die negativen sind nicht so vordergründig. Die schönen Ereignisse jedoch vergisst man zum Glück so schnell nicht, denkt gern zurück und schwelgt manchmal richtig in diesen Erinnerungen.

In dem Zusammenhang habe ich zufällig gestern folgendes entdeckt, das wissen nur Heinz Rühl und ich, weil wir persönlich Teilnehmer waren:

Unser erster Plattdeutscher Abend fand morgen vor 33 Jahren statt: Am 6. Juni 1980 bei Konditters-Nuyken in Hünxe.

Wie gesagt, das war unser erster. Es ist ja wohl klar, dass ich jetzt hier die Erinnerungen an die folgenden Abende in allen Einzelheiten schildern werde, - und an die Nachmittage auch. Könnte ich, . . . mach ich aber nicht.

Die übrigen Plattdeutschen Abende und die anderen 150 Ereignisse, an denen ich teilgenommen habe, überspringe ich jetzt einfach und erzähle nur kurz, auf welche Weise der „Dinslakener Pfennig“ an

mich herangetragen worden ist:

Ich hatte absolut überhaupt keine Ahnung davon, dass mir jemals im Leben eine solche Ehre zuteil werden würde. Das lag für mich nicht im Bereich des Möglichen. Ich hatte wirklich keinen blassen Schimmer, als ich an diesem ganz normalen Alltag vormittags, ich glaube es war ein Montag, bei mir zu Hause mit dem lieben, mir sehr vertrauten Ralf Schreiner von der R.P. im Wohnzimmer bei einer Tasse Kaffee saß, Dallmeier prodomo, trinken wir beide am liebsten, mit Büchsenmilch, die Marke hab ich vergessen. Herr Schreiner hatte mich um ein Interview anlässlich meines achtzigsten Geburtstages gebeten. Ich denke: 80 Jahre, das ist ja wohl ein Grund. Da hat auch der liebe Peter Neier von der NRZ sehr nette Worte gefunden.

Das Telefon klingelte. Wer mag das denn wohl sein? Wer ruft denn jetzt an, ausgerechnet mitten in dieses wichtige Interview hinein?

Es war der liebe Herr Aschenbach vom Heimatverein Land Dinslaken.

„Guten Tag, Herr Neuköther, wie geht es Ihnen?“

„Danke, gut! Und Ihnen?“

„Auch gut. Herr Wiberny und ich wollten mal zu Ihnen kommen und Sie was fragen, . . . wann ist es Ihnen recht?“

„Ja also, im Moment ist es unpassend, Herr Schreiner von der R.P. ist gerade bei mir. Aber vielleicht so in einer Stunde . . . .!“ „Ja gut!“

Als ich gehört hatte: „wir wollten Sie was fragen“, dachte ich spontan: Jetzt kommt garantiert wieder so was, was ich jahrzehntelang immer und immer wieder gehört hatte, also aus Erfahrung sehr gut kannte, da kommt bestimmt wieder so was wie: „Herr Neuköther, Sie könnten uns einen großen Gefallen tun, die Frau Meier, die kennen Sie doch, die wird nächsten Monat sechzig, da machen wir so eine Feierstunde und wollten Sie mal fragen, ob Sie da nicht ein paar Sätze in Plattdeutsch . . . nur son paar Minuten, Sie können das doch so gut . . . . „

Oder: „Unser Herr Schult hat 25-jähriges Jubiläum, . . und da wäre es doch schön, wenn Sie, lieber Herr Neuköther, . . .wir holen Sie auch ab . . .braucht ja gar nicht viel zu sein . . . wir bringen Sie auch wieder nach Hause . . . . . „

Mit diesen Gedanken im Kopf hörte ich die Haustürklingel und öffnete den lieben Herren Aschenbach und Wiberny die Tür.

Aber was mich vollends verwirrte: Da stand auch noch Heinz Rühl vor der Tür, . . . völlig unangemeldet . . . Hat mich total irritiert. Ich habe ihn trotzdem rein gelassen.

Ja, und dann gings los: „Herr Neuköther, wir haben beschlossen, Ihnen den Dinslakener Pfennig zu verleihen !!!“

Ich weiß noch genau, wie ich reagiert habe: Bin so ein Stück nach hinten gesackt und habe gesagt: „Ach du lieber Gott!“ . . . so nach dem Motto: „Das hat mir gerade noch gefehlt!“

Und dann kam die Frage: „Haben Sie am 5. Juni Zeit?“

Zunächst wollte ich sagen: „Nein, da kann ich nicht, muss ich zum Frisör!“

Aber dann dachte ich: Freu dich doch einfach! Das ist doch etwas total Positives. Ja, und dann habe ich zugestimmt und begonnen, mich zu freuen. Aber am nächsten Tag hätte ich am liebsten Herrn

Aschenbach angerufen und alles rückgängig gemacht, weil es eigentlich überhaupt nicht mein Ding ist, im Mittelpunkt zu stehen. Habe ich dann aber nicht gemacht und jetzt stehe ich ja deshalb hier und sage Ihnen und euch allen: DANKE !

Danke sage ich auch dem Schicksal, welches mir die Gabe verliehen hat, anderen Menschen Freude zu machen mit gesprochenen und geschriebenen Worten. Mein Lebensinhalt, für mich das Schönste auf der Welt, ist es, meinen Mitmenschen Freude zu bereiten und es ist doch eine wunderschöne Sache, wenn man das mit Worten tun kann.

Und diese Freude kam und kommt ja auch immer wieder zu mir zurück, ich wurde und werde immer wieder reichlich belohnt, jahrzehntelang und heute in besonders großem Maße. Danke.

Und damit keiner sagen kann: „Mensch, der Stelten Karl, jetzt ist er so alt geworden, da kann er noch nicht mal mehr platt sprechen“ möchte ich meine Dankesrede und meine Erinnerungen

beschließen mit der Feststellung:

Minn Modersprohk es Hönxe Platt, dat es mej so gemäcklech,

on klengt et döcks ok bozz on hatt, lach männegerehn dröwer dreckeg,

sühkt ou en Sprohk, die ou gefällt, ek loht ou ruhig kallen,

van alle Sprohken op de Welt es sej de netts, van allen.

Jo, Geld on Gut on wat so batt on wat Dör-röker prohten,

dat klengt döcks netter es onse Platt, wej welln et ok so lohten.

Märr sett me diep in Sörgen drin on es de Pinn am gröttsten,

jo, wätt me niet mehr üt noch in, klengt mej onse Sprohk et nöchsten.

Onse Sprohk es wie ne olle Frau, de Nachmötz op et Ohr,

met Ogen klor on waterblau, met selwerwette Hohr,

on spräkt so week on strickt so lech wie Sijj on Spennenwäwen,

dat klengt mej netter ess en Gedech van Selegkeit on Läwen.

Dröm loht mej onse Sprohk bestohn, t`wör schad, wonnen sej gemustert,

dat Beste, wat ek koss verstohn, hämm ek üt öhr gelustert,

wat ek op Moders Schlepp gelehrt, dat sall niemols ütstärwen,

dat sallen, ach wat wör dat schön, de Kender van ons ärwen.

(Das Gedicht „Minn Modersprohk“ stammt von H.Böllert, Duisburg. Es wurde von Wilhelm und Karl Neuköther geändert und in Hünxer Platt umgeschrieben)