Das WOLFSNETZ von Hünxe - aus dem 16. oder 17. Jahrhundert -

Datum:

Februar 2003

Autor:

Friedrich Endemann

Bis Anfang des 19. Jh. gab es in den großen zusammenhängenden Wäldern rund um Hünxe Wölfe, die unter dem Viehbestand der Einwohner großen Schaden anrichteten. Der Wolf war sehr gefürchtet. Kam die Nachricht, dass in der Umgebung ein Wolf gesichtet worden war, so bangte jeder um sein Vieh. Das auch mit Recht, denn wenn der Wolf heute im Dämmerwald gesehen wurde, konnte er am nächsten Tag schon in Hünxe sein Unwesen treiben.

Aus den Geschichtsquellen der damaligen Zeit können wir über mehrere Jahrhunderte entnehmen, dass immer wieder Wölfe auftraten und Schafe, Rinder oder Kühe von ihnen gerissen wurden. 1583 heißt es, der "griese Hond", der Wolf, hat sich wieder stark vermehrt.

Sobald in einem Bezirk ein Wolf aufgespürt wurde, ordnete die zuständige Behörde die Wolfsjagd an. Hierzu wurde durch Glockenschlag - Läuten der Kirchenglocken - aufgefordert. In Hünxe gab es eine besondere Wolfstrommel, eine große Trommel, mit der der Bauernbote von Haus zu Haus zog und zur Wolfsjagd aufrief. Jeder Untertan war verpflichtet, an der Wolfsjagd teilzunehmen. Nichterscheinen wurde mit Strafe belegt. Befreit waren lediglich die Bauernmeister, die Schöffen, die Geistlichen und die Adeligen.

Bei der Jagd wurde das Gebiet, in dem man den Wolf vermutete, mit Netzen - wie das unsere - abgeschirmt und von Treibern und Schützen umstellt. Mit lautem Geschrei und Getöse durchkämmten sodann die Treiber das Gebiet und versuchten den Wolf in die Netze zu treiben, wo er dann von den Schützen erlegt werden konnte.

Wurde in Hünxe ein Wolf erlegt, so wurde nach einer Legende das tote Tier im Triumphzug durch das Dorf getragen und an der Dorflinde gegenüber der Kirche einige Tage zur Schau aufgehängt.

Die letzten Wolfsjagden

1797 wurden in den Wäldern südlich der Lippe wiederum Wölfe festgestellt und für den 17. Mai des Jahres eine große Wolfsjagd angeordnet. In der Anordnung zu dieser Jagd heißt es unter anderem:

"Die Untertanen werden die Linie vom Weg am großen Aschenbruch, wo die Wolfsnetze gestellt werden, bis an der roten Beeke besetzen. Auf ihrem Weg dorthin werden sie die Büsche durchgehen und so den Wolf, wenn er da ist, herüberjagen. Alles muss so dirigiert werden, dass am 17. Mai, 9 Uhr vormittags, die vorgenannte Linie besetzt ist und das Haupttreiben seinen Anfang nehmen kann. Ist die Anzahl der Jagdleute so groß, dass die Kirchhellensche Division an den linken Flügel der Gahlener Leute sich anschließend vorwärts nach dem Aschenbruch zu einer Linie bilden könnte, so wäre dieses sehr gut. Die Gahlener Jagdleute sind gehalten, die Spitze des Hünxerwaldes von Gallien an soweit abzutreiben, bis sie den linken Flügel der Hünxer und Gartroper Jagdleute erreicht haben. Haben die Gahlener diesen Flügel erreicht, so machen sie Halt bis auf weitere Order. Die Jäger laden ihre Flinten nur mit grobem Schrot, nicht mit Kugeln, um zu verhüten, dass ein Mensch von einer Kugel getroffen werde. Auch dürfen die hiesigen Treiber keine Schießgeräte mitbringen, sondern nur mit Heugabeln bewaffnet erscheinen."

Bei dieser Jagd wurde kein Wolf gesehen!

Schließlich fand am 26. September 1826 im Hünxer-, Gartroper- und Gahlenerwald südlich der Lippe und im Weseler- und Dämmerwald nördlich der Lippe eine letzte gemeinsame große Wolfsjagd statt, „in der Hoffnung, wenn der Wolf in einem Revier entkomme, er im anderen doch noch erlegt werden könne."

Bei dieser Jagd wurde im Hünxerwald ein Wolf gesehen und angeschossen. Er entkam jedoch über die Lippe. Am gleichen Tage wurde er in der benachbarten Bürgermeisterei Altschermbeck angetroffen. Er durchbrach die Linie der Treiber und konnte in die Waldungen bei Lembeck flüchten, wo er von den dort aufgestellten Schützen erlegt wurde.

Danach kam die befreiende Nachricht:

"Der Wolf ist tot"
Er war nun ausgerottet.

Das Hünxer Wolfsnetz ist offenbar das letzte Zeugnis dieser hohen Jagd, das am Niederrhein noch vorhanden ist - ein kostbarer Schatz aus vergangener Zeit.

Wie alt mag unser Wolfsnetz wohl sein?

Wir wissen es nicht. Es ist aber sicherlich aus dem 16. oder 17. Jahrhundert.

Der Hünxer Pfarrer, Hermann Sander, schreibt hierzu in "Blätter zur Geschichte der Kirchengemeinde Hünxe" 1909 folgendes:

"Die Wolfstrommel ist heute nicht mehr vorhanden, wohl aber das schwere, große und starke Wolfsnetz; es mag wohl 300 bis 400 Jahre alt sein."

Einen Hinweis gibt es im Archiv von Schloss Gartrop. Am 17. Mai 1664 wurde zwischen den Inhabern der adeligen Häuser Krudenburg und Gartrop, Alexander Graf von Vehlen und Albert Gisbert von Hüchtenbruck, ein "Receß über Jurisdiktions-, Gemarkungs- und Jagdsachen" abgeschlossen.

Dort heißt es unter anderem:

"Wegen der Wolfsjagden wollen sich die Häuser Krudenburg und Gartrop bemühen, dass von den Eingesessenen eines jeden Gerichtes Wolfsgarne nach Größe der Matricel gemacht werden."

Ob unser Wolfsnetz aus dieser Zeit stammt? Es könnte möglich sein, beweisen können wir es nicht.

Wo war unser Wolfsnetz bisher untergebracht?

Bis 1847 war das Wolfsnetz im "Spritzenhaus", dem Feuerwehrgerätehaus der Gemeinde Hünxe, untergebracht. Das "Spritzenhaus" stand auf dem Zufahrtsweg zu dem damals neu angelegten Friedhof der Ev. Kirchengemeinde Hünxe und musste deshalb abgebrochen werden. Die Feuerschutzgeräte und das Wolfsnetz wurden danach vorübergehend, so heißt es in den Unterlagen, im Turm der Dorfkirche untergebracht. Die Feuerschutzgeräte wurden später in dem neuen Feuerwehrgerätehaus gelagert, das Wolfsnetz aber verblieb im Kirchturm bis zur grundlegenden Restaurierung der Dorfkirche in den 1990er Jahren.

Nach der Neugestaltung der Eingangshalle des Rathauses hat das Wolfsnetz nun hier seit 2002 eine endgültige "Bleibe" gefunden.

Quellen:

  • Hermann Sander: "Blätter für Geschichte der Kirchengemeinde Hünxe", Heft 2, Seite 54, Voerde 1909
  • Walter Neuse: "Wolfsjagd mit Netzen und Lappen", Heimatkalender für den Kreis Dinslaken, 1960, 5. 57 ff.
  • Heinrich Krusdick: "Wildschweine und Wölfe im Kreise Rees", Heimatkalender für den Kreis Rees, 1957, S. 33 ff.
  • Verschiedene Urkunden und Akten des Schlossarchivs Gartrop, als Depositum beim Gemeindearchiv Hünxe.
  • Friedrich Sander: Aufzeichnung über "Die Hünxer Waldmark", 1970, korrigiert von Prof. Dr. Rudolf Stampfuß, unveröffentlicht, Archiv des Heimatmuseums Hünxe

Text: Friedrich Endemann, Heimat- und Verkehrsverein Hünxe e.V., Februar 2003