Erinnerung an Willi Dittgen anlässlich seines 100. Geburtstages

Anlass:

Mitgliederversammlung des Vereins für Heimatpflege Land Dinslaken e.V.

Datum:

22.11.2012

Ort:

Museum Voswinckelshof

Autor:

Hans-Hermann Bison

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Heimatfreunde!

Die Einladung zu unserer Versammlung hat es bereits angekündigt: Wir wollen heute Willi Dittgen in Erinnerung rufen und damit einen Mann ehren, dessen Verdienste um unseren Verein und die Erforschung der Geschichte von Stadt und Land Dinslaken gar nicht hoch genug eingeschätzt werden können.

Willi Dittgen wäre heute vor vier Tagen 100 Jahre alt geworden. Er ist am 21. März 1997, also vor nunmehr fast 16 Jahren, im Alter von 84 Jahren verstorben. Sein Grab befindet sich auf dem Parkfriedhof an der B8.

Wie sehr Willi Dittgen vor allem als Buchautor weit über Dinslaken hinaus unverändert aktuell ist, wurde mir kürzlich in faszinierender Weise wieder deutlich:

In der renommierten Wochenzeitung „Die Zeit“ vom 31. Oktober 2012 erschien ein ganzseitiger Aufsatz im Zusammenhang mit den damals bevorstehenden Präsidentenwahlen in den USA. Ein Aufsatz aus der Feder eines bedeutenden Historikers, der an den Universitäten Münster und Hamburg lehrt. Dieser Historiker kommt auf einen der ersten Präsidenten der USA, den berühmten Thomas Jefferson zu sprechen und nennt dabei als seine wichtige Quelle – ich zitiere wörtlich - : „den Dinslakener Historiker Willi Dittgen“ und dessen 1991 erschienenes Buch „Jeffersons Rheintour“, ein Buch auf das ich später noch zurückkomme.

Wann ist jemals in der „Zeit“ der Name Dinslaken gefallen? Ich erinnere mich jedenfalls an keinen entsprechenden Fall. Da kann man nur sagen, kostenlose Stadtwerbung auf hohem Niveau, dank sei Willi Dittgen.

Liebe Heimatfreunde!

In der Einladung für heute werde ich als „langjähriger Weggefährte“ von Willi Dittgen bezeichnet, was in der Tat zutrifft. Deshalb sah ich auch keine Chance, mich der Bitte zu entziehen, heute Willi Dittgen in Erinnerung zu rufen. Wenn ich nachdenke, seit wann ich ihn kannte, kommt mir folgendes Bild in Erinnerung:

Bald nach Kriegsende, sagen wir 1946/47, nahm ich meinen täglichen Schulweg aus der Altstadt durch das nach allen Seiten offene und noch etwas wüst aussehende Burgtheater zum heutigen Theodor-Heuss-Gymnasium, wo in den auf dem Schulhof errichteten Baracken unterrichtet wurde. Zur gleichen Zeit nahm Willi Dittgen täglich seinen Weg von der Wohnung in der Goethestraße durch das Burgtheater zum Dienst in Baracken der damaligen Kreisverwaltung. Die Baracken standen dort, wo sich heute der Ententeich zwischen Rathaus und Stadthalle befindet.

Jeden Morgen begegneten wir uns zur gleichen Zeit auf der Bühne des Burgtheaters, ich der 16-jährige Schüler, er der auf mich trotz der miserablen Zeit seriös wirkende Mittdreißiger auf dem Weg zum Dienst als neuer Leiter des Kultur- und Presseamtes sowie der Volkshochschule des Kreises Dinslaken. Aus diesen täglichen Begegnungen wurde zunächst ein Grußverhältnis, bald aber mehr.

Liebe Heimatfreunde!

Es kann heute nicht meine Aufgabe sein, Willi Dittgen in seiner Gesamtheit in Erinnerung zu rufen und zu würdigen. Für seinen ganzen Berufsweg bei der Kreisverwaltung etwa habe ich keine Kompetenz. Ich möchte mich deshalb konzentrieren auf den ehrenamtlichen Teil seines Wirkens, vor allem auf sein Wirken in unserem Verein und auf seine wichtigsten Publikationen.

Zunächst aber ein kurzer Streifzug durch seine Biografie. Ich beginne mit einem Makel. Entgegen der allgemeinen Vermutung ist Willi Dittgen gar nicht in Dinslaken geboren. Er kam am 18. November 1912 in Düsseldorf zur Welt. Die Familie zog dann aber wegen Berufswechsels des Vaters zum Dinslakener Bandeisen­walzwerk schon 1917 nach Dinslaken, genauer gesagt nach Hiesfeld. Hiesfeld wurde just in diesem Umzugsjahr nach Dinslaken eingemeindet. Damals wohnten von den etwa 2.000 Be­schäftigten des Bandeisenwalzwerkes viele in Hiesfeld. Für diese gab es an der Krengelstraße ein Werkstor, das unser Verein zur Verbesserung der Rotbach-Route heute wieder geöffnet sehen möchte.

Nach einigen Jahren zog die Familie Dittgen dann aber um zur damaligen und heutigen Friedrichstraße, also ganz nah an das Walzwerk heran. Von diesem Wohnstandort aus bildeten sich dann Dittgens Schüler- und Jugendeindrücke.

Er besuchte die Volksschule an der Goethestraße (damals „Kaiser-Wilhelm-Schule“), anschließend das heutige „Theodor-Heuss-Gymnasium“, damals die einzige höhere Schule in Stadt und Kreis Dinslaken. Dort bestand er 1932 das Abitur.

Ich habe mir die Liste der damals 14 Abiturienten angesehen, weitgehend bekannte Dinslakener Namen. Von den 14 dürfte nur die Hälfte den 2. Weltkrieg überlebt haben. Zu den Gefallenen gehört auch der einzige Dinslakener „Ritterkreuzträger“, Willi Cirener.

Liebe Heimatfreunde!

Mit dem Abitur stellte sich für Willi Dittgen die Frage nach seiner weiteren Ausbildung und seinem Berufsziel. Diese Frage war im Jahre 1932, gleichsam im Tiefpunkt der Weltwirtschaftskrise, als gerade gehobene Berufe als aussichtslos erschienen, äußerst schwierig. Willi Dittgen folgte dem Rat seines Deutschlehrers Dr. Josef Zorn, der für Willi später noch ganz schicksalhaft werden sollte. Zorn hatte erkannt, dass sein Schüler ein exzellenter Formulierer war und spannende Geschichten zu Papier bringen konnte. Er riet deshalb, werde Journalist.

In den folgenden Jahren, also in der Zeit des Nationalsozialismus, waren die Verhältnisse für einen jungen Journalisten, der von der katholischen Jugendbewegung geprägt war und mit dem Nationalsozialismus nichts zu tun haben wollte, natürlich sehr schwierig. Dittgens Tätigkeit in einer Duisburger Zeitungsredaktion endete damit, das SA-Leute die Redaktion besetzten und die Journalisten hinausschmissen.

Bald nach Kriegsbeginn wurde Willi Dittgen Soldat. Die Soldatenuniform war die erste, die er trug. Artillerie wurde seine Waffengattung. Die meisten Kriegsjahre war er an der russischen Front eingesetzt, vor Moskau und im Kaukasus.

Sein damals schon ausgeprägtes Interesse an Historie und deren Dokumentation führte dazu, dass er über seine Soldatenzeit ein erhalten gebliebenes Kriegstagebuch führte. Darin ist auch sein erschütterndstes Kriegserlebnis festgehalten: Die Flucht der deutschen Einheiten von der Krim im Mai 1944. Es war eine mit „Stalingrad“ vergleichbare Tragödie. Willi überlebte als einziger seiner Einheit gleichsam wie ein Wunder die Flucht von Sewastopol mit einem schlauchbootähnlichen Fahrzeug über das Schwarze Meer zur rumänischen Küste. Willi hat viel veröffent­licht, aber zur Veröffentlichung seines äußerst umfang­reichen Kriegstagebuches ist er nicht gekommen. Vielleicht wollte er auch seine schaurigen Erinnerungen nicht wieder hochkommen lassen.

In der Endphase des Krieges war er Teilnehmer an der Ardennenschlacht, geriet danach in den Ruhrkessel und kam schließlich im Siegerland in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Er hatte ohne bleibende körperliche Schäden überlebt.

Den Sommer 1945 verbrachte er im Kriegsgefangenenlager Attichy, nahe Paris. Dies hatten die Amerikaner für 10.000 deutsche „Kindersoldaten“ – unter 18 Jahre alt – zu deren Umerziehung eingerichtet. Willi wurde als Lehrer für Deutsch und Englisch in diesem Lager eingesetzt. Seine Erinnerungen an diese Zeit hat er festgehalten in einer 1957 erschienenen 50-Seiten-Broschüre, sehr lesenswert. Von Willi stammen nicht nur der Text, sondern auch die illustrierenden Zeichnungen. Er konnte nicht nur schreiben, er war halt auch ein sehr talentierter Zeichner.

Im September 1945 kam Willi Dittgen als freier Mensch in das zerstörte Dinslaken zurück. Zerstört war auch die elterliche Wohnung auf der Friedrichstraße. Nicht zurück kam sein 1944 gefallener Bruder.

Liebe Heimatfreunde!

Es gehört zur Realität, dass eine für das Leben oft entscheidende Weichenstellung einem Zufall zu verdanken ist. Ein solcher Zufall widerfuhr Willi Dittgen im Herbst 1945 auf einer Dinslakener Straße. Er begegnete seinem früheren Lehrer Dr. Zorn, der als von der Besatzungsmacht eingesetzter Landrat und Bürgermeister damals großes Gewicht hatte. Zorn sah in seinem inzwischen 33 Jahre alten ehemaligen Schüler den geeigneten Mann, in Stadt und Kreis Dinslaken aus den Trümmern des Nationalsozialismus und des Krieges ein neues Kulturleben entstehen zu lassen. Willi trat Anfang 1946 in die Dienste der Kreisverwaltung und übernahm die Leitung des Kultur- und Presseamtes und der im Aufbau befindlichen Volkshochschule. Er wurde gleichsam der „Kultusminister“ des Kreises und blieb es fast 30 Jahre bis zur Auflösung des Kreises Dinslaken.

Sein Dienstverhältnis entwickelte sich zu dem idealen Fall, wo Hobby und Pflichten identisch sind. Oberkreisdirektoren und Landräte kamen und gingen, Willi Dittgen blieb im Amt und verkörperte Kontinuität. Dies ist der Kreis-Dinslakener Kultur gut bekommen.

Liebe Heimatfreunde!

Etwas breiter auf das Leben von Willi Dittgen einzugehen erfordert, auch seine Frau Gertrud zu erwähnen. Sie heirateten 1950 und errichteten ihren dauerhaften Wohnsitz 1955 mit dem gediegenen Haus an der Hagenstraße. Dort wuchsen die drei Kinder auf und es herrschte ein glückliches Familienleben. Dazu trug wohl auch bei, dass zwischen den Eheleuten Dittgen eine geregelte Arbeitsteilung bestand. Wie glaubwürdig berichtet wurde und ich auch selbst erleben konnte, war Frau Gertrud für alles zuständig, was mit Organisation, Verwaltung und Finanzen zu tun hatte, letztlich für alles, was beamtenmäßig zu erledigen war. Willi soll selbst nie gewusst haben, was er verdiente. Er schrieb ausgewachsene Bücher, aber Zahlungsanweisungen ausfüllen, das konnte nur Frau Gertrud. In diese Arbeitsteilung passte auch, dass Willi keinen Führer­schein hatte. Fahrer der Familie war Frau Gertrud. Sie kutschierte ihn jahraus jahrein zu den unzähligen Ver­anstaltungen und Orten seines Interesses, gerade auch dann, wenn es um seine Aufgaben in unserem Verein ging. Wir haben allen Anlass, auch an Frau Gertrud Dittgen in Dankbarkeit zu erinnern, die ihren Mann noch eine Reihe von Jahren überlebt hat und an seiner Seite beigesetzt ist.

Ich komme zu Willi Dittgen und unserem Verein, dessen Vorsitzender von 1946 – 1950 der schon wiederholt genannte Dr. Zorn war. Ich bin sicher, dass Zorn irgendwann seinen Mitarbeiter Dittgen zur Seite nahm und ihn zum Geschäftsführer unseres heutigen Vereins schlichtweg ernannte. Willi Dittgen wird bewusst gewesen sein, dass sich dieses Geschäftsführer­amt sehr gut mit seiner beruflichen Arbeit für den Kreis Dinslaken ergänzte. Diese Aufgabenkombination hatte Bestand bis zum Ende des Kreises Dinslaken und brachte für beide Seiten großen Gewinn.

Als unser Geschäftsführer für fast ein halbes Jahrhundert wurde Willi Dittgen immer mehr zum eigentlichen Motor unseres Vereins, stets im besten Einvernehmen mit den jeweiligen Vorsitzenden. Artur Benninghoff könnte aus seiner langen Amtszeit als Vorsitzender hierzu sicherlich große Loblieder auf Willi Dittgen anstimmen. Sein Ideenreichtum ließ immer neue Aktivitäten zur Entfaltung kommen. Da er mit der Geschichte und Kultur von Stadt und Land Dinslaken vertraut war wie kein Zweiter, hatte sein Wort Gewicht, was unserem Verein sehr zugute kam.

Bei allem Ansehen, das Willi Dittgen genoss, er blieb ein bescheidener Mensch und mit den Personen seines Umfeldes auf Augenhöhe. Er war ein Mann, der Kontakte schuf und Kontakte pflegte. Der heutige Begriff des „Netzwerkers“ könnte auf ihn passen. Laufende Kontakte pflegte er zu seinen heimatkundlichen Kollegen, die er sehr schätzte. So sprach er immer mit großer Hochachtung von den „Altmeistern“ unserer Heimatkunde wie Walter Neuse, Berthold Schön und Elmar Sierp.

Aber auch in den langjährigen Vorsitzenden unserer Mitgliedsvereine, wie etwa Kurt Altena, Fritz Endemann, Helmut Schorsch und Karl Tenhagen sah er für sich wichtige Gesprächspartner.

Liebe Heimatfreunde!

Es war ein Glücksfall, dass unser Verein Willi Dittgen so lange hatte. Als er mich 1989 – er war damals 77 Jahre alt – als stellvertretenden Geschäftsführer vorschlug, hatte ich erhebliche Bedenken, ob ich in seine großen Schuhe einige Jahre später einmal hineinpassen würde.

Das Wirken von Willi Dittgen hat alle Anerkennungen gefunden, die denkbar waren:

1976 wurde er einer der ersten Ehrenrentmeister des Heimatvereins Dinslaken,

1983 erhielt er den „Rheinlandtaler“ des Landschaftsverbandes,

1984 das Bundesverdienstkreuz,

1996, ein halbes Jahr vor seinem Tod, den „Dinslakener Pfennig“.

Manche von uns werden sich noch an die schöne Feier in Krudenburg erinnern. In eindrucksvollen Ansprachen ehrten ihn Artur Benninghoff und Wilfrid Fellmeth, damals Dinslakener Bürgermeister. Der Geehrte, sonst in Bescheidenheit nur wenig von sich redend, zog abschließend gleichsam die Summe seines Lebens.

2003, der Historische Burgaufgang zum Innenhof des jetzigen Rathauses wird nach Willi Dittgen benannt.

Liebe Heimatfreunde!

Dass Willi Dittgen auch über den heutigen Tag hinaus noch lange unvergessen bleiben wird, dafür wird allein schon die Fülle seiner Publikationen sorgen. Wenn ich von seinen Publikationen spreche, verstehe ich darunter ausgewachsene Bücher wie auch schmalere Broschüren und Jubiläumsschriften, aber auch die fast nicht zu übersehende Vielzahl seiner Aufsätze in Heimatkalendern und anderen Schriften. Er selbst spricht von 15 Büchern, alles in allem wird man mit 100 Titeln nicht auskommen. Allen seinen Texten ist gemeinsam, dass sie für einen jeden leicht lesbar sind, man braucht nicht Geschichte studiert zu haben. Er selbst hat es ja auch nur als Autodidakt getan, was seine schriftstellerische Leistung noch mehr heraushebt.

Nur einen Teil der heimatkundlichen Literatur, die wir Willi Dittgen verdanken, kann ich erwähnen:

Die von ihm als Schriftleiter verantworteten Heimatkalender aller Jahre von 1950 bis zur Auflösung des Kreises Dinslaken 1975 stellen unverändert eine überaus wichtige Quelle zur Geschichte und Kultur von Stadt und Land Dinslaken dar. Fast in jedem Jahr war er mit meist mehreren eigenen Aufsätzen beteiligt. Es lohnte immer, diese zu lesen.

Als der Kreis Wesel sich entschloss, ab 1980 eigene Heimatkalender, sprich „Jahrbücher“ herauszugeben, war Willi der Geburtshelfer. Für die ersten vier Jahre lag die Schriftleitung bei ihm. Auch viele Beiträge stammen von ihm selbst.

Nicht zu überschätzen sind auch seine Verdienste um die Buchreihe unseres Vereins „Veröffentlichungen zur Geschichte und Heimatkunde“. In dieser Reihe erschienen seit 1956 31 Bände. Vier besonders gelungene stammen aus seiner Feder:

„Anno Tobak“, „Zwischen den Kriegen“, „Der Übergang“ und „Stationen“, erschienen zwischen 1973 und 1986.

Auch beim Landschaftsverband Rheinland war Willi Dittgen als Autor bekannt und gefragt für die Reihe „Rheinische Kunststätten“. So stammen aus seiner Feder die Hefte über die „St.-Vincentius-Kirche“ und die „Gemeinde Hünxe“. Für Hünxe und seine Geschichte empfand er übrigens immer eine stille Liebe.

Erwähnen möchte ich auch Dittgens jahrzehntelange Funktion gleichsam als „Haushistoriker“ der Sparkasse. So formulierte er die Jubiläums-schriften zu deren 100-jährigem und 125-jährigem Bestehen in den Jahren 1956 und 1981. Über viele Jahre produzierte er auch die beliebten Wandkalender der Sparkasse zu jeweils einem bestimmten heimatkundlichen Thema wie etwa „Historische Mühlen“, „Herrensitze“ oder „Der Rhein“. Die von vielen als so erfreulich empfundene Einbindung unserer Sparkasse in die Geschichte des Landes Dinslaken ist zu einem großen Teil sein Verdienst.

Liebe Heimatfreunde!

Nun möchte ich noch einige Veröffentlichungen aus der Feder von Willi Dittgen ansprechen, die außerhalb der Buchreihe unseres Vereins und sonstiger Periodika erschienen sind. Es handelt sich nur um die, die mir für die Heimatkunde am Wichtigsten erschienen:

Bereits 1948, also im Jahr der Währungsreform, erschien auf braunem, brüchigen Nachkriegspapier ein 60-seitiger „Streifzug durch die Geschichte Dinslakens“. Anlass war das damals 675-jährige Stadtjubiläum, das außer durch diese Schrift in jener miserablen Zeit, als Dinslaken noch in Trümmern lag, als Fest gar nicht bewusst wurde. Das schmale Buch war Willis Premiere als Autor und ist umso höher zu bewerten, als bis dahin noch nie eine Dinslakener Stadtgeschichte geschrieben worden war.

Im Jahr 1959 feierte der Kreis Dinslaken sein 50-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass erschien aus Willis Feder die Geschichte des Kreises mit dem Titel „Bewegte Zeit“. Er schildert den Kreis in einer Phase starker wirtschaftlicher Expansion und optimistischer Gesamtstimmung, ohne dass man ahnen konnte, dass die Geschichte des Kreises in weniger als 20 Jahren vorbei sein würde.

Mit seinem 1965 erschienenen Band „Führer zur Kunst am Niederrhein“ ging Willi weit über Stadt und Land Dinslaken hinaus. In mühsamer Arbeit nach einer unübersehbaren Zahl von Ortsterminen hatte er einen systematischen Kunstführer erstellt für den gesamten Bereich der damaligen Kreise Dinslaken, Wesel, Kleve, Geldern, Moers und der Stadt Krefeld. Die klassischen Kunstführer wie „Reclam“ und „Dehio“ waren damit für den Niederrhein praktisch überflüssig geworden.

Liebe Heimatfreunde!

Ich möchte jetzt zurückkommen auf das zu Anfang meines Vortrages erwähnte Dittgen-Buch „Jeffersons Rheintour“, das in der „Zeit“ erwähnt wurde. Die Vorgeschichte hierzu ist kurz wie folgt:

Thomas Jefferson, von 1801 – 1809 der 3. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika und der eigentliche intellektuelle Kopf dieses jungen Staates, war von 1785 – 1789 dessen Botschafter in Paris. Von dort aus machte er 1788 eine Reise nach Amsterdam, um bei den dortigen reichen Bankiers für die USA Kredite zu beschaffen. Für den Rückweg nach Paris nahm er sich Zeit. Er wollte den Rhein kennenlernen und steuerte zunächst Kleve an und besuchte dann den Rhein hinauf, was ihm interessant erschien. Nach Dinslaken ist er dabei nicht gekommen. Duisburg schildert er als eine Stadt, in der keiner eine Fremdsprache verstand. Über diese Rheinreise verfasste Jefferson später einen ausführlichen Reisebericht mit hochinteressanten Schilderungen vom damaligen Niederrhein.

Auf diesen Bericht, der in der Washingtoner Nationalbibliothek verstaubt lagerte, stieß Willi Dittgen 1989 durch verschiedene Zufälle und erkannte dessen Bedeutung für den Niederrhein. Er übersetzte, interpretierte und kommentierte den Jefferson-Text und ließ ihn 1991, als er 79 Jahre alt war, im Mercator-Verlag erscheinen. Dies war damals eine kleine Sensation.

Willi wurde das Schreiben nie leid. Im Jahrbuch des Kreises Wesel erschien noch in seinem Todesjahr 1997 ein Beitrag zu dem damals in Hünxe brisanten Thema „Hüchtenbruck-Epitaph“ und 1998 posthum „Eine nicht ganz ernste Betrachtung über kommunale Aufgaben“. Er endete bei seinem Schreiben gleichsam mit einem Schmunzeln.

Liebe Heimatfreunde!

Dies fiel mir ein und auf dies stieß ich, als ich mich im Hinblick auf den heutigen Tag mit Willi Dittgen beschäftigte. Ein halbes Jahrhundert hindurch war er Motor und Gedankengeber für unseren Verein. Wir können ihm dafür nicht dankbar genug sein.