Vorbemerkung
Laudator Heinz Wellmann ist Nachtwächter zu Rees am Niederrhein, Kastellan der Burg Empel und Gildemeister der „Deutschen Gilde der Nachtwächter, Türmer und Figuren e.V.“"
Laudatio
Gott zum Gruße Bürgerinnen und Bürger,
ich wünsche Euch ein gutes und neues Jahr, ein Jahr ohne Hunger und Elend, ohne Krieg und Not, Krankheit und Ungemach, ein Jahr voller Gesundheit und Glück mit gefüllter Speisekammer und ein Leben in Frieden und Freiheit unter dem Schutz unserer edlen Herrschaft, dem Grafen Dietrich von der Mark, Sohn des Grafen Adolf von Kleve und seiner Gemahlin Margarete von Berg, der das „Land Dinslaken“ und sein Kirchenspiel vor Feinden, Pest und Cholera bewahren möge. Gott schütze unseren Grafen Dietrich von der Mark.
So, oder so ähnlich, mögen die Neujahreswünsche im Mittelalter geklungen haben und Dinslaken war damals eine kleine Stadt im Schatten der mächtigen Burg mit ihrem hohen Bergfried, der Stadtmauer mit ihren Toren und den Gräben, die vom Wasser des roten Baches gespeist wurden.
In diese Zeit nun fiel er, der Dinslakener Pfennig, ein Zahlungsmittel jener Tage, welches nur in Dinslaken geschlagen wurde. Besaß unsere Stadt Dinslaken doch eine Münzschlägerei, wo dieses Stück Geld rund dreißig Jahre geprägt wurde. So reihte er sich ein, in die Vielzahl von Talern, die im Jahre des Herrn 1375 hier im Land im Umlauf waren, zwischen all den anderen Münzen, als da waren Batzen, Dukaten, Gulden, Heller, Kreuzer, Schilling, Groschen, Mark oder - der gute alte Stüber gar. Viele verschiedene Taler waren im ganzen Reich unterwegs und es war den fahrenden Händlern nicht immer möglich, es mit gleicher Münze heimzuzahlen.
Geld in Umlauf war genug, allein es zu bekommen war die Not. Um das Jahr 1320 musste man als Steinmetzgeselle zu 6 Pfennige am Tag arbeiten.
Auch der Wert der Münzen war nicht gleich. So bekam man für 5 Pfennige ein Herbsthuhn, einen Laib Roggenbrot oder den Brückenzoll für einen Berittenen, für einen Stüber ein Pfund Rindfleisch oder eine Fährfahrt für einen Mann über den Rhein. Es gab Taler ohne Zahl und ob der Vielzahl der Münzen entstanden die ersten Wechselstuben in Italien. Dort saßen die Wechsler im Freien auf einer Bank. Sie haben es weit gebracht, die Wechsler, sitzen Sie doch heute in der Bank. Wenn ein Wechsler zahlungsunfähig war, wurden Männer vom Magistrat geschickt, die mit Äxten die Bank zertrümmert haben. Diesen Vorgang nannte man im italienischen übrigens „banca rotta“.
Heute sind die vielen Münzen verschwunden und Ihr nennt den Euro euer Eigen. Ein Taler, mit dem ihr in allen Ländern zahlen könnt, sogar in Holland. Ein jeder nimmt den Euro gerne entgegen und er ist überall willkommen………noch!
Doch zurück zu dem Stück Geld, um das es hier heute geht, den Dinslakener Pfennig. Sein Wert ist heute ein Anderer. Nicht als Zahlungsmittel dient er uns, sondern als Auszeichnung, als Anerkennung, als Wertschätzung. So rief der „Verein für Heimatpflege Land Dinslaken“ den Taler 1990 wieder ins Leben um ihn Bürgern zu überreichen, die sich für Ihre Heimat und das Brauchtum verdient gemacht haben.
Sparsam und mit Bedacht wurde er in den letzten 28 Jahren nur 9 Mal verliehen und die Würdenträger waren allesamt Personen, die sich diese Auszeichnung wahrlich verdient hatten. Sind Sie doch durch Ihr selbstloses Wirken in Ihren Ehrenämtern in die jüngere Geschichte unserer schönen Stadt eingegangen.
Heute nun, ist es wieder so weit. Vier lange Jahre lag er in der Lade, nun kommt er wieder zum Vorschein um zum zehnten Male eine Persönlichkeit zu ehren, die all diese Voraussetzungen erfüllt und ich kann mir für die Verleihung keinen besseren Ort vorstellen, als die ehrwürdigen Hallen von Haus Wohnung, dessen Gründung in die Zeit des Dinslakener Pfennigs fällt, wurde es doch Anfang des 14ten Jahrhunderts als Herrenhaus gebaut und erstmals 1327 urkundlich erwähnt.
Bürgerinnen und Bürger,
der diesjährige Preisträger ist kein geringerer als mein Nachtwächterkamerad Eduard Sachtje. Doch wie hat es sich geschickt, dass ein armer Wächter der Nacht mit solch einer Ehre bedacht wird. Versuchen wir gemeinsam, des Rätsels Lösung zu ergründen.
Wir schreiben das Jahr 1950, ein wichtiges Jahr.
Seit fünf Jahren ist der Krieg vorbei und die Firma Henkel bringt wieder
„Persil“ auf den Markt, die UNESCO nimmt Schweden auf, Konrad Adenauer ist Bundeskanzler, der „Dritte Mann“ mit Orson Wels läuft in den Kinos, Kurt Schuhmacher ist SPD-Vorsitzender, die erste Formel 1 Weltmeisterschaft geht an den Start und überall fährt der Goliat Dreirad dem Wirtschaftswunder hinterher. Aber das herausragendste Ereignis geschah in den frühen Morgenstunden des 14. September 1950, als der kleine Eduard im evangelischen Krankenhaus zu Dinslaken das Licht der Welt erblickte. Niemand konnte damals ahnen, dass er eines Tages mit einer hohen Auszeichnung geehrt werden sollte. Doch es war ein langer Weg dorthin. Nach unbeschwerter Kindheit, begann in der Hiesfelder Dorfschule der Ernst des Lebens und er entdeckte in kleinen Schritten die Liebe zu seiner Heimat, denn vor über 50 Jahren fand der erste Heimatkalender den Weg zu Ihm. So war der kleine Eduard des Lesens schon mächtig und es gelangte fortan alljährlich ein Exemplar in
seine wissbegierigen Hände. Diese Sammlung ist lückenlos und noch heute wichtiger Fundus für ihn.
Die Jahre gingen ins Land, der kleine Eduard wurde erwachsen und hat sich gar prächtig entwickelt, wie wir unschwer erkennen können. Er wurde erwachsen, Familie und Beruf gingen vor und er beschäftigte sich in seiner Freizeit mit der Ahnenforschung. Mehr durch Zufall gelangte das Buch „Der Burgvogt von Krudenburg“ des Hünxer Amtsdirektors Friedrich Sander in seine Hände. Die Neugier war geweckt und er besann sich seiner alten Heimatkalender, die im Keller schlummerten. Fortan war er nicht mehr zu bremsen und eignete sich ein umfangreiches Wissen über seine Heimat an.
Nun galt es, sein Wissen zu verbreiten. Was liegt näher, sich als Stadtführer aufzumachen und interessierten Bürgern und Gästen die Geschichte der Stadt Dinslaken näher zu bringen. Ab 2003 war er als gemeiner Stadtführer unterwegs. Doch schnell erkannte er, dass Themenführungen sich noch besser für die Vermittlung von Wissen eignen. So wurde 2006 der alte Nachtwächter Heinrich Denkhaus wieder zum Leben erweckt. In der Rolle des letzten Nachtwächters aus Dinslaken kamen seine Geschichten und Anekdoten noch besser zur Geltung und er bekam Freude an seiner Rolle. Damit war Eduard Sachtje jedoch nicht ausgelastet und er ersann eine neue Figur, die auch in Dinslaken fußte.
2008 wurde der Landrat „Heinrich von Buggenhagen“ initiiert, der als Figur ebenfalls sehr erfolgreich ist. Zwei Jahre später rundete das Schlitzohr Heinrich, seines Zeichens Zimmermann auf der Walz, den Reigen vorläufig ab. Doch Eduard Sachtje schlüpft nicht nur in ein anders Gewand, er verkörpert die jeweilige Rolle und hat das Zusammenspiel von Rolle, Figur, Ausdruck und Körpersprache perfekt mit seinem außerordentlichen Wissen kombiniert, was auch seine hohen Besucherzahlen belegen. So vermittelt er den Teilnehmern auf seinen unterhaltsamen Führungen eine lebendige Geschichte der Stadt Dinslaken.
Doch damit nicht genug. Das Buch „Kommse mit nach Maaß“, was er 2013 veröffentlichte, ist genauso erfolgreich, wie seine heimatgeschichtlichen Vorträge. Auch mit einem Beitrag über die Hiesfelder Mühlen im Jahrbuch des Kreises Wesel oder einem Fernsehauftritt im privaten Sender SAT 1 machte er von sich reden. Sogar die bekannte Dinslakener Marionettenbauerin Anette Schreiner wurde auf Eduard Sachtje aufmerksam und hat „Heinrich von Buggenhagen“ als Marionette gefertigt.
Doch wie lernte ich Eduard Sachtje kennen? Nun, diese Frage beantworte ich euch gerne.
Als gebürtiger Dinslakener zog es mich 1996 in die Ferne und ich fand in Rees eine neue Heimat, wo ich im Jahre 2008 als Wächter der Nacht meinen Dienst begann. Ich hörte von dem Nachtwächter aus Dinslaken und im Herbst 2009 nahm ich an einer Führung des Nachtwächters in Dinslaken teil. Schon damals war ich von dem umfangreichen Wissen von meinem Kollegen sehr beeindruckt und als ich 2011 zum Gildemeister der „Deutschen Gilde der Nachtwächter, Türmer und Figuren e. V.“ gewählt wurde, nahm ich Kontakt zu Eduard Sachtje auf, der dann auch in diesem Jahr aktives Mitglied in unserer Gilde geworden ist. Als guter Kamerad hat er sich hervorragend in unsere Gemeinschaft eingefunden und nimmt regelmäßig an unseren Versammlungen teil, die in der ganzen Bundesrepublik und auch in Österreich stattfinden.
Auf unseren Treffen repräsentieren die einzelnen Mitglieder ihre jeweilige Region und Ihre Stadt. So trägt Eduard Sachtje dazu bei, dass die Stadt Dinslaken auf unseren Vorstellungsrunden stets Erwähnung findet. Auch hier ist er als Botschafter für Dinslaken unterwegs und hat sich in der Gilde einen guten Namen gemacht.
Dank seiner steten Bemühungen ist es Ihm gelungen, dass sich die Gilde in diesem Jahr zur Regionalversammlung Nord/West vom 31. August bis zum 2. September hier in Dinslaken einfinden wird. Auch dort wird es eine Vorstellung der einzelnen Mitglieder geben, die ihren Weg zum Treffen gefunden haben. So lernen auch die Nachtwächter
und Figuren aus anderen Städten unsere schöne Stadt Dinslaken kennen. Wir würden uns freuen, den einen oder anderen aus unserer Mitte bei diesem Treffen begrüßen zu dürfen.
Nun, somit konnten wir des Rätsels Lösung finden, wie ein einfacher Wächter der Nacht eine solchen Preis entgegennehmen darf.
Zusammenfassend sei gesagt, dass Eduard Sachtje die hohen Anforderungen für die Verleihung des Dinslakener Pfennigs aus meiner Sicht vollumfänglich erfüllt. Bringt er doch durch seine verschiedenen Rollen auf lebendige Art und Weise den Menschen die Geschichte von Stadt und Land näher und macht durch seine Gildeauftritte auf Dinslaken aufmerksam.
Geschichte erlebbar machen, diese Aufgabe hat er sich zu Eigen gemacht, denn Geschichte bedeutete nicht die Aufbewahrung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers.
Lieber Ede, ich freue mich sehr, bei dieser Verleihung dabei zu sein - und hier vor euch sprechen zu dürfen und es erfüllt mich mit Stolz, einen Nachtwächter mit solch hoher Auszeichnung in den Reihen unserer Gilde zu haben.
Bleibt der Stadt Dinslaken zu wünschen, dass es Dir noch viele Jahre wohl ergehe, Du bei bester Gesundheit diesen Weg weitergehen kannst und Du weiterhin viel Freude an Deiner Aufgabe hast.
Ich bedanke mich für eure Aufmerksamkeit und wünsche der Veranstaltung noch einen würdevollen, fröhlichen und genüsslichen Verlauf.
Habet Dank.