Aus der Denkschrift des Kreises Dinslaken aus Anlaß der Heimatwoche 1951

700 JAHRE LAND DINSLAKEN

Wilhelm Dittgen, Verein für Heimatkunde und Verkehr


Schon seit annähernd 700 Jahren, ist Dinslaken der Verwaltungsmittelpunkt eines Landstriches, der im Mittelalter zeitweilig fast den ganzen rechtsrheinischen Besitz der Klever Herzöge umfaßte und von der Reichsstadt Duisburg bis weit in den Kreis Rees hinauf reichte. Überhaupt haben die Klever Herzöge Dinslaken erst zum Zentrum dieses Landes gemacht, das in der Geschichte des Herzogtums immer eine besondere Rolle spielte.

Das Herzogtum Kleve besaß 1267 erst einzelne Höfe in der Dinslakener Umgebung (z. B. Gahlen und Hünxe), später dann die Gerichtsbarkeit einiger anderer Orte (wie Walsum, Eppinghoven und Götterswickerhamm). Es hat noch Jahrzehnte gedauert, bis die Klever ein zusammenhängendes Gebiet zwischen Lippe und Ruhr unter ihre Herrschaft gebracht hatten. Kleve ging gleich daran, Dinslaken auszubauen und zu befestigen, um ein strategisches Gegengewicht gegenüber dem Kölnischen Holten zu bekommen. Linksrheinisch saßen die Kölner schon von Bacharach bis Rheinberg. Kleve sicherte sich auf der rechten Rheinseite durch einen starken Grenzschutz.

Graf Dietrich VII. erhob im Jahre 1273 Dinslaken zur Stadt mit Mauerrecht.

Die Bedeutung als Vorort des umliegenden Landes hat Dinslaken erst bekommen, als es der Witwe des 1310 gestorbenen Grafen Otto von Kleve, Mathilde mit einigen Gerichten als Witwensitz verschrieben wurde. Mathilde nannte sich „Herrin von Dinslaken". Da in dem Besitz der Gräfin Mathilde einige der um Dinslaken liegenden Gerichte mit einbegriffen waren, hielt sie sich schon 1317 einen Amtmann. Damals taucht zum ersten mal der Begriff des „Landes Dinslaken" in den überlieferten Urkunden auf.

Nachdem Mathilde sich dann gegen eine Jahresrente zum Verzicht auf Burg, Stadt und Land Dinslaken bereitfand und der jüngere Bruder Johann seine Ansprüche darauf in einem Vertrag vom 22. Februar 1338 an den Grafen Dietrich abgetreten hatte, begann dieser erst den um Dinslaken gelegenen Besitzstand fester zusammenzuschließen und durch Neuerwerbungen, teils auf friedlichem Wege, teils in Fehden abzurunden. Aus dieser Zeit, aus dem Jahre 1354, ist uns zuerst der Name eines Amtmannes überliefert. Es war Gerhard Preut. Er nennt sich „officiatus communis terre Dynslacensis", was in anderen Urkunden im damaligen Deutsch „amptmann in den alingen Lande van Dincelaken" wiedergegeben wird. Diese Amtmänner führten später den Titel „Drost". Sie waren die Oberrichter in ihrem Bereich, hatten die Grenzen des Amtes zu sichern und für Ordnung zu sorgen.

In einer offiziellen Erklärung des Herzogs Adolf aus dem Jahre 1429 wurden zum Land Dinslaken gerechnet: Burg und Stadt Dinslaken mit den Kirchspielen Hiesfeld, Walsum, Götterswick, Speilen, Hünxe, Gahlen, Hamborn, Beeck, Sterkrade und Meiderich.

Das Drostenamt Dinslaken ist dann später aus den Ämtern Dinslaken, Wesel-Schermbeck, dem Amt auf dem Braem und der Reichsstadt Duisburg allmählich zusammengeschweißt worden. Eine Zeitlang war das Amt Bislich-Mehr-Rhenen auch damit verbunden, jedoch nur in Personalunion. Seit dem 15. Jahrhundert bestand das Drostenamt aus den Richterämtern Beeck, Meiderich, Dinslaken, Götterswickerhamm, Schermbeck und Hünxe.

Die häufige Abzweigung des Landes Dinslaken vom linksrheinischen klevischen Stammbesitz ist sicherlich die Ursache, daß Dinslaken immer ein Sonderdasein führte. Das Dinslakener Gebiet trat nach 1400 immer mehr als selbständiges Territorium neben das Herzogtum Kleve und die Grafschaft Mark. Es wurde nur noch vom Land Dinslaken gesprochen, dem zur Zeit seiner größten Ausdehnung selbst die Reichsstadt Duisburg untergeordnet war.

Nachdem im Jahre 1609 der letzte klevische Herzog Johann Wilhelm im Wahnsinn gestorben war, kam Kleve und damit auch das Amt Dinslaken im Vergleich von Xanten (1614) an Brandenburg. Zunächst blieb die Einteilung des Gebietes bestehen. Erst unter Friedrich II. wurde die Einteilung des Landes neu gestaltet. Er hob die 30 Ämter und die 27 Herrlichkeiten auf und teilte das Klevische Land in drei Kreise auf, Kleve, Emmerich und Wesel, über die Landräte nach dem Muster der östlichen Provinzen gesetzt wurden.

Dinslaken bildete einen sogenannten Rezepturbezirk. Außerdem bestand in Dinslaken eine Rentei, der die Verwaltung der Domänen oblag und die als eine der letzten im Düsseldorfer Bezirk bis weit ins 19. Jahrhundert hinein bestanden hat. Eine Änderung der Verhältnisse trat im März 1806 ein, als Napoleon das Herzogtum Berg und den rechtsrheinischen Teil von Kleve zum Großherzogtum vereinigte und seinem Schwager Murat übergab. 1808 wurde es in 4 Departements eingeteilt. Dinslaken gehörte zum Departement Rhein und innerhalb dieses Bezirks zum Arrondissement Essen. Darin bildete es einen Kanton.

Grundlegend änderte sich die Lage am 30. April 1815 durch eine Verordnung Friedrich Wilhelms III. über die Neueinteilung Preußens. Die Preußischen Besitzungen am Rhein wurden in die beiden Provinzen Niederrhein und Jülich-Kleve-Berg aufgeteilt. Jülich-Kleve-Berg bestand aus den Regierungsbezirken Jülich, Aachen und Kleve. Dinslaken bildete einen Kreis im Regierungsbezirk Kleve, der aus 7 Bürgermeistereien: Dinslaken Stadt und Land, Götterswickershamm, Holten, Ruhrort, Gahlen, Schermbeck und Duisburg bestand. Erster Landrat des Kreises war der Geheime Kriegsrat von Buggenhagen auf Bärenkamp.

Bereits im Januar 1822 war die Regierung in Kleve aufgelöst und mit der Düsseldorfer zusammengelegt worden. Die Folge war eine neue Kreiseinteilung. Aus den Kreisen Dinslaken und Essen wurde durch Kabinettsorder vom 27. September 1823 der neue Kreis Duisburg gebildet Seit 1873 gehörte Dinslaken zum Kreis Mülheim-Ruhr und seit 1887 zum Kreis Ruhrort.

Diese häufigen Neuaufteilungen waren die Folge der wachsenden Industrialisierung und der steigenden Bevölkerungszahlen.

Nachdem 1905 Ruhrort, Meiderich und Beeek nach Duisburg eingemeindet worden waren, siedelte am 1. April 1909 die Kreisverwaltung von Ruhrort nach Dinslaken über und das Restgebilde erhielt wieder den Namen „Landkreis Dinslaken". Er umfaßte die Bürgermeistereien Hamborn, Sterkrade, Dinslaken, Voerde, Gahlen und die Landgemeinden Hiesfeld und Walsum. Der Kreis zählte bei seiner Entstehung 180 000 Einwohner. 1911 schied die Landgemeinde Hamborn, als sie Stadtrechte erlangt hatte, mit 102 000 Einwohnern aus dem Kreise aus. Als dann 1917 auch noch Sterkrade mit Holten den Kreisverband verließ, erhielt der Kreis im wesentlichen seine heutige Gestalt.

Wie schon oben angedeutet, bestimmte seit der Jahrhundertwende die Industrie die weitere Entwicklung des Kreises Dinslaken. Sie kam von Süden und faßte in Walsum und der Stadt Dinslaken Fuß. Eine Entwicklung begann, die zwar durch den Krieg und seine Auswirkungen zeitweilig unterbrochen wurde, aber heute noch im schnellen Flusse ist. Schon bilden sich auch im Norden des Kreises (Babcock-Werke Friedrichsfeld) neue industrielle Schwerpunkte, die eine weitere Phase einleiten.

Kurz sei die Entwicklung in einigen Zahlen erläutert. 1821 wohnten im Bereich des heutigen Kreises Dinslaken 9376 Personen. Dinslaken war damals der am dünnsten besiedelte Kreis im Regierungsbezirk Düsseldorf. 1883 waren es schon 16 295 Einwohner. Bis 1910 hatte sich die Einwohnerzahl schon wieder mehr als verdoppelt und überschritt die *36 000. 1925 wurden bereits 61 000 gezählt und heute hat der Kreis Dinslaken schon mehr als 82 000 Einwohner. Von dieser Entwicklung wurden vor allem Walsurn und Dinslaken erfaßt. Später kam auch Voerde an die Reihe. Unberührt bliebt das Amt Gahlen mit seinen weiten Wäldern und herrlichen Naturschönheiten.

Dieses von der Industrie verursachte Ansteigen der Bevölkerungszahlen hatte eine vollkommen neue Bevölkerungsstruktur zur Folge. Vor der Jahrhundertwende waren noch etwa 900/0 der Einwohner in der Landwirtschaft beschäftigt. Heute hat sich das Bild vollkommen gewandelt. Etwa 75°/o der Bevölkerung sind in Industrie und Handwerk tätig, während die Landwirtschaft nur noch 10% beschäftigt.

Noch ist die Entwicklung nicht abgeschlossen, die dem ländlich-verträumten Landkreis die starken Impulse wirtschaftlicher Entfaltung gab und ihn zum Industrieland der Zukunft machte.